Zwischen zwei Meeren, die man aber See nennt und ganz oben im Norden von Deutschland liegt, findet mein nächstes Shooting statt. Während ich das schreibe und die Seite veröffentliche, ist seit dem Shooting einige Zeit vergangen.
Die Invictus Games 23 in Düsseldorf sind erfolgreich verlaufen und wir durften sie begleiten, der zweite Bildband ist Dank des Reservistenverbandes veröffentlicht, ich war in meinem zweiten zu Hause in Afrika und Gesichter des Lebens wird mit Unterstützung der Deutschen Härtefallstiftung auch 2024 weiter gehen.
Daher hat es etwas gedauert, bis nun unser nächstes Gesicht in die Öffentlichkeit geht. Und es ist wieder ein besonderes Gesicht, eines das halb Soldat und halb Blaulicht ist. Damit aber nicht genug. Er war ein Bundeswehrblaulicht. Habe ich euch jetzt verwirrt. Ich bin es selbst, wenn ich lese, was ich gerade geschrieben habe. Aber wir wollen mit unseren nächsten Gesichter des Lebens Licht ins Dunkel bringen. Dazu wisst ihr ja, dass sich bei uns die Teilnehmer selber vorstellen.
Ich heiße Horst Jumpertz, bin 1964 geboren, habe in meinem Leben viel erlebt und darunter auch an Auslandseinsätze teilgenommen und drei Berufe gelernt,“ erzählt er noch etwas zurückhaltend. Natürlich möchte ich die Erlebnisse mit Horst ein bisschen aufarbeiten, damit ihr davon erfahrt. Aber vorher ist noch zu erwähnen, dass Horst nicht allein gekommen ist. Seine Partnerin Karo, ein echtes Nordlicht ist an seiner Seite.
Horst, der mittlerweile die Bundeswehr verlassen hat, war nicht, wie meine bisherigen Shootings Soldat, Horst war Oberbrandmeister oder um es klarer zu sagen Bundeswehrfeuerwehrmann. Horst erklärt mir, dass außer dem Rettungsdienst, den es bei den Bundeswehrfeuerwehren nicht gibt, kein Unterschied zu einer normalen Feuerwehr besteht. Feuerwehrmann ist halt Feuerwehrmann, denke ich bei mir. Den Rettungsdienst übernimmt bei der Bundeswehr der Sanitätsdienst. „Erschwerend kommt hinzu die Flugzeugbrandbekämpfung, wenn mit Munition irgendetwas ist, aber ansonsten gibt es keinen Unterschied!“
Horst hat bei der Berufsfeuerwehr in Köln angefangen und dort seine Ausbildung begonnen. Seine Spezialisierung fand dann später bei der Bundeswehr statt. Horst war von 1993 bis Anfang 2023 als Oberbrandmeister eingesetzt, anschließend ist er in den Ruhestand gegangen.
Horst ist fünfmal als Feuerwehrmann in den Einsatz nach Afghanistan gegangen. Schon nach dem zweiten Einsatz hat er Veränderungen an sich bemerkt. „Ich hatte Angst Grünflächen zu betreten,“ sagte er. Er spürte das ungute Gefühl bereits zu Hause in seinem Garten. Trotzdem ist er noch drei weitere Male in den Auslandseinsatz gegangen. Das Gefühl gebraucht zu werden war zu stark in ihm drin. Dabei wurden die Einsätze immer gefährlicher, die Situation immer bedrohlicher. „Nach dem fünften Einsatz hatte ich genug gesehen,“ erzählt er.
Karo hatte Horst kennen gelernt, da litt er schon an seiner heutigen Erkrankung. Aber sie sagte, dass sie den Menschen einfach stark interessiert hatte. Für mich ist es immer wieder beeindruckend, dass das engste Umfeld eines PTBS-Erkrankten so einen Einfluss hat und so wichtig ist. Daher freue ich mich, dass ich Karo mit einbinden kann. „Ich sehe Horst’s Erkrankung anders als er sie sieht. Natürlich gibt es schwierige Zeiten, wo ich nicht an ihn rankomme,“ erzählt sie. Horst versucht alles mit sich alleine auszumachen, aber für Karo ist Horst so richtig wie er ist. „Er ist toll. Wenn es ihm schlecht geht, nehmen wir uns in den Arm und halten uns gegenseitig fest“. Wenn das mal nicht eine tolle Liebeserklärung ist.
Meine ❤️Bild von zwei Menschen die sich lieben und achten
Horst ist in Behandlung, aber durch seinen Beamtenstatus ist es etwas anders als bei Soldaten. Horst hat nicht nur die Einsätze geprägt, auch das Verhalten einiger Kollegen / Kameraden bei der Aufarbeitung haben ihn zu einem sensiblen und zurückhaltenden Menschen werden lassen. Für ihn ist, egal ob Soldat oder Beamter, wichtig, dass man füreinander da ist, man sich aufeinander verlassen kann, gegenseitiger Respekt zeugt und man sich vertrauen kann. Mit einem durch das Feuer gehen können, ist ein schöner Vergleich für einen Feuerwehrmann.
Jetzt wird es etwas schwieriger, da wir das Thema Mobbing im Umfeld von Horst ansprechen. Nach einer Pause möchte Horst weiter öffentlich darüber sprechen. Danke für dieses Vertrauen Horst.
Er hat es unter Kameraden und Vorgesetzten erfahren müssen und keinen Weg gefunden, ein geeigneter Gesprächspartner zu finden. Die Bundeswehr hat es weggedrückt und Horst ist mit Hilfe des Sozialdienstes versetzt wurden. Lösung sieht für mich anders aus. Horst wirkt bis heute völlig verzweifelt, über das, was ihm widerfahren ist.
Karo erzählt mir, dass sie die Veränderungen und die abklingende Lebensfreude bemerkt, spürt aber auch, dass Horst sie schützen möchte und daher wenig von sich und seinen Gefühlen offenbaren möchte. Horst ist ein Mensch, der sein Umfeld in den Vordergrund stellt und dabei sich selbst eher etwas vernachlässigt. „Er würde sein Leben für mich opfern,“ ist sich Karo sicher. Viele Dinge haben sich durch das Zusammenleben der beiden verändert. Dazu zählen auch viele sehr schöne Momente, die die Beiden durch die Erkrankung viel mehr zu schätzen gelernt haben. „Diese Momente schweißen uns zusammen.“ sagt sie.
Die Erkrankung hat für Horst auch etwas Positives. Er weiß heute, wer seine Freunde sind. Er musste viele Menschen aus seinem Umfeld ziehen lassen, da sie mit Ihm und seiner PTBS nicht umgehen konnten. PTBS wird sein ständiger, lebenslanger Begleiter sein, das versteht einfach nicht jeder.
In den Einsätzen war Horst Reservist und trug in der Zeit eine soldatische Uniform. Zu Hause war es daher etwas schwieriger eine anerkannte PTBS anerkannt zu bekommen. Da er ja ein Sonderfall war, war es noch komplizierter.
Horst hat daher den Wunsch, dass der Verwaltungsaufwand reduziert wird, damit es für Kollegen / Kameraden zukünftig einfacher wird. Daher hat Horst auch einen einfachen und doch so schweren Rat. Kämpfen, auch wenn die Kraft nachlässt, ist es die einzige Möglichkeit um seine Rechte und seine Erkrankung anerkannt zu bekommen.
Um viel mehr von Horst und Karo zu erfahren,
hört dazu gerne auch das Interview zum Shooting hier auf der Website.
Unser Gespräch während des Shootings habe ich aufgenommen und ich veröffentliche es hier. Zuhören ist ein wichtiger Teil unseres Fotoprojektes „Gesichter des Lebens“. Ich schenke den Menschen Zeit und meine volle Aufmerksamkeit .
Kraft sammelt er mit Karo bei Spaziergängen abseits von der Zivilisation in den Wäldern und Mooren. Horst wirft einen Blick zurück auf sein Leben und sagt: “Ich würde keine fünfmal mehr in den Einsatz gehen und auf gewisse andere Erfahrungen, vor allem mit einigen Kollegen, hätte ich durchaus verzichten können.“
Selten habe ich einen so offenen und ehrlichen Menschen fotografiert und interviewt. Mit ehrlich meine ich auch über sich selbst und über sein engstes Umfeld. Danke Horst!
Karo stellt zum Abschluss fest, dass sie Beide kein einfaches Leben haben und sie auf einiges verzichten müssen. Kinos und Theater gehen einfach nicht und den gemeinsame Besuch in einem Restaurant mussten sie sich hart erarbeiten. Aber dieser Verzicht macht auch bewusst, was man zusammen erleben darf und kann. Horst erklärt es uns an einem Beispiel. Der Aufstieg auf einen Berg zieht er dazu sehr beeindruckend heran.
Beeindruckend fand ich auch dieses Gespräch, dieses Shooting und diese gemeinsame Zeit mit den Beiden und freue mich das Horst mit seiner Karo nun am großen Tisch von unseren „Gesichter des Lebens“ sitzt.
Es schliesst sich für mich ein weiterer Kreis als Mensch und als Fotografin. Beim Fotografieren braucht es Empathie um Menschen zu berühren, zu verbinden, sichtbar zu machen. Mit meinem fotografischen Blick auf die Menschen, Soldaten, Veteranen und ihren Wegbegleitern gehe ich weitere Schritte.
Zu wissen das unser Projekt "Gesichter des Lebens" dabei wächst, macht mich stolz, da ich Menschen liebe und gerne fotografiere. Soldat und Veteran sein heisst auch: Mensch sein. Sehen-Spüren-Fühlen. "Gesichter des Lebens" versucht dies sichtbar zu machen. Auch hier in unserem neuen BILDBAND.
Ein dickes Danke an Jürgen der sich verantwortlich zeichnet für den Text.
Ich möchte Danke sagen, an meine Herzensmenschen die mich unterstützen und tragen. Danke an meinem geliebten Lebenspartner und an meinem Sohn. Danke an meine liebste Freundin Edda, die mich immer stärkt und mich unterstützt. Es ist schön, wenn Ihr hier mit dabei seit. Danke ❤️.
Fotografiert wird mit Nikon Z7II und dem Nikkor Z 50mm F/1,2S und Nikon Z6II und dem Nikkor Z 85mm f/1.8S.
„Genderhinweis: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf eine geschlechtsneutrale Differenzierung verzichtet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für beide Geschlechter. Die verkürzte Sprachform beinhaltet keine Wertung.“
Hinterlasst mir hier gerne einen Kommentar, ich freue mich darauf. Danke!
Kommentar schreiben
Horst Jumpertz (Freitag, 09 Februar 2024 15:05)
Dankeschön für alles es hat mir viel Bedeutet.
Auch wenn es nicht leicht war aber es freut mich dass wir am Großen Tisch Platz nehmen können.
Auch die Pension war ein schwerer Schritt für mich da es auch finanziell nicht so leicht ist.
Aber ich bin zufrieden das ich jetzt zu Hause bin und meine Karo und die Hunde habe.
An alle gebet euch nie auf der Weg ist sehr schwer.
Dankeschön Dani und deine unterstützer.
Thomas (Freitag, 09 Februar 2024 17:56)
Herzlichen Dank für diesen berührenden und tollen Beitrag. Es ist so wichtig, dass diese Menschen, die für Deutschland gekämpft haben, auch von ihrem Land anschließend versorgt werden. Vielen Dank für den tollen Bericht und die sehr guten Fotos! Ich bete für dich Horst und die anderen Veteranen!
Herzlichst Thomas