Ich treffe Patrick Sensburg, 51 Jahre, Präsident des Verbandes der Reservisten der Deutschen Bundeswehr, an einem sehr kalten Tag im Januar in Berlin. Zwei Stunden lang bewegen wir uns mit der Kamera an historischen Orten durch die Stadt, anschließend geht es für unser Gespräch in die Büros des Verbandes der Reservisten der Bundeswehr. Dabei geht es u.A. um Frauen bei der Bundeswehr, den Umgang mit traumatisierten Soldatinnen und Soldaten und die entscheidende Rolle seines Biolehrers bei seiner Berufswahl.
Dabei sprechen wir u.a. über Frauen bei der Bundeswehr, den Umgang mit traumatisierten Soldaten und die entscheidende Rolle seines Biolehrers bei seiner Berufswahl.
Nach seinem Abitur und dem anschließenden Wehrdienst ist er als Reservist weiter dabeigeblieben. Er studierte Jura, war danach Assistent an einer Hochschule, arbeitete als Rechtsanwalt und anschließend verschlug es ihn wieder an unterschiedliche Hochschulen in Europa, zuletzt 2022 nach Köln.
Warum er Jura studiert hat?
Das hat mit seinem ehemaligen Biologielehrer zu tun. „Das war ein ganz toller Lehrer und er hat unheimlich allgemeinbildend in der Breite Sachen erzählt. Ich erinnere mich daran, wie er manchmal vor der Schulstunde noch die FAZ dabeihatte, da gibt es so einen Natur- und Wissenschaftsteil und da hat er mit uns noch die Sachen diskutiert, ganz aktuelle Punkte. Wer wollte, konnte ein bisschen früher kommen und mit ihm diskutieren. Und dann habe ich gesagt, ich möchte etwas machen, was allgemeinbildend ist. Ich möchte mich nicht nur allein auf ein Thema fokussieren, sondern mich mit einer Bandbreite von Themen beschäftigen. Und das kann man mit Rechtswissenschaften. Recht ist in allen Lebensbereichen drin. Das hat mich an Jura fasziniert.“
2009 bis 2021 war Patrick Sensburg als Abgeordneter für den Hochsauerlandkreis im Deutschen Bundestag, seit 2019 ist der Oberst der Reserve, Präsident des Reservistenverbandes. Er kehrt bis heute regelmäßig für Reservistendienste in die Bundeswehr zurück.
Der Verband hat ca. 110.000 Mitglieder und vertritt alle Reservistinnen und Reservisten der Bundeswehr. Er wird ehrenamtlich geführt, hat aber auch rund 280 Angestellte, die die Reserve in ganz Deutschland betreuen. In der Reservisten-Fibel auf der Homepage des Verbandes heißt es abgeleitet aus dem Reservistengesetz: „Reservist ist zunächst einmal jeder, der mindestens einen Tag in der Bundeswehr gedient hat und seinen Dienstgrad nicht verloren hat - ob als Grundwehrdienstleistender, als Soldat auf Zeit oder ehemaliger Berufssoldat. Nach dem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst erhält jeder ganz automatisch den Status „Reservist“.“
Ein Anlass, weshalb der Verband seinerzeit gegründet wurde, war, dass Menschen, die an der Waffe ausgebildet werden, sich danach in einem Verein wiederfinden sollen, der auf der freiheitlich-demokratischen Grundordnung aufbaut und der auch ganz nah an den Deutschen Bundestag angebunden ist.
Durch den Reservistenverband wird auf der einen Seite viel ehrenamtliche Hilfe geleistet. Auf der anderen Seite findet in Europa gerade ein Krieg statt. Ich will von ihm wissen, ob den Reservistinnen und Reservisten immer bewusst ist, dass sie einen Einsatz in der Landes- und Bündnisverteidigung im schlimmsten Fall mit dem Leben bezahlen könnten.
Patrick: „Das ist uns absolut bewusst. Was wir oft vergessen ist, dass in Europa vor nicht allzu langer Zeit die Kriege in Jugoslawien stattfanden. Mitten in Europa. Ich habe Abitur gemacht zu der Zeit. Mitten in Europa gab es Krieg, Konzentrationslager, ethnische Säuberungen. Auch in diesen Jahren bis heute war und ist die Bundeswehr und auch Reservistinnen und Reservisten im Einsatz. Alle wissen in solchen Einsätzen, dass es im Zweifel um das eigene Leben geht.“
Als Fotografin, die in den vergangenen zwei Jahren auch viele Soldatinnen für „Gesichter des Lebens“ fotografieren durfte, interessiert mich, warum es momentan nur Männer im Präsidium des Reservistenverbandes gibt.
Patrick erzählt mir, dass bei der letzten Bundesdelegiertenversammlung (die das Präsidium wählt) nur Männer anwesend waren. „Da kommen rund 150 Delegierte zusammen und selbst da ist keine Frau dabei. Obwohl es exzellente Soldatinnen und Reservistinnen gibt. Mit einer starken Gruppe an Reservistinnen werden wir aber viele im Verband überzeugen, dass auch bei den Ämtern des Verbandes mehr Frauen vertreten sein müssen. Starke Frauen gibt es aber im Verband von der Marschgruppenführerin bis hin zum Vorstandsmitglied in Landesgruppen.“
Patrick sagt, dass im September wieder ein neues Präsidium gewählt wird und es ihnen bis dahin hoffentlich gelingt, mehr delegierte Frauen zu erreichen, die dann zur Wahl gehen und vielleicht sogar selbst antreten. Es geht ihm nicht darum, eine Quote einzuführen oder zu sagen, dass bestimmte Posten jetzt unbedingt mit Frauen besetzt sein sollen. „Ich erlebe halt einfach tagtäglich, dass wir super Frauen im Verband haben. Dann müssen wir es aber auch hinkriegen, dass wir sie auch im Verband halten und sie auch sagen, ich fühl mich hier wohl und will Verantwortung übernehmen. Denn Reserve ist freiwillig, das ist ein Ehrenamt und wenn wir gute Frauen haben und sie nicht halten können, dann sind wir das Problem.“
Meine ❤️Bildstrecke von Patrick
Wir sprechen über das Thema PTBS in der Bundeswehr und dass die Invictus Games, die im September in Düsseldorf stattfinden, eine gute Gelegenheit sind, um sich anzuschauen, wie andere Nationen mit dem Thema umgehen.
„Nach dem zweiten Weltkrieg sagte man über Kriegsheimkehrer einfach „Der Onkel ist komisch“ und drehte sich weg.
Heute wissen wir, welch gravierende Auswirkungen Traumata auf das Leben z.B. von Einsatzrückkehrern haben können und bauen immer bessere Strukturen auf, den Betroffenen zu helfen.“ Dabei lohne sich auch ein Blick über den Tellerrand. Der Reservistenverband verfüge außerdem seit vielen Jahren über ein Netzwerk für Psycho-Soziale Kameradenhilfe zur Unterstützung von einsatzgeschädigten Reservistinnen und Reservisten und deren Familien. Die Beauftragten in den Landesgruppen stünden dabei als niedrigschwellige Ansprechpartner zur Verfügung und unterstützen die Betroffenen, indem sie sie an geeignete Anlaufstellen innerhalb und außerhalb der Bundeswehr vermitteln.
Um viel mehr von Patrick Sensburg zu erfahren,
hört dazu gerne auch das Interview zum Shooting hier auf der Website.
Unser Gespräch während des Shootings habe ich aufgenommen und ich veröffentliche es hier. Zuhören ist ein wichtiger Teil meines Fotoprojektes „Gesichter des Lebens“. Ich schenke den Menschen Zeit und meine volle Aufmerksamkeit .
Wir gehen mit einem letzten Wunsch aus dem Gespräch „Wenn du einen Wunsch frei hättest – welcher wäre das?“
„In den Tagen und der Zeit, in der wir jetzt leben – natürlich einen schnellen Frieden in der Ukraine.
Was dort gerade passiert – ich weiß nicht, wie man das in den nächsten Jahrzehnten wieder annähernd heilen kann, angesichts dessen, was in der Zivilbevölkerung der Ukraine passiert, was da mit jedem einzelnen Menschen, der Familienangehörige verloren hat, passiert. Da gibt es niemanden, der nicht traumatisiert ist. Auch auf russischer Seite, bei denen, die plötzlich irgendwo hingeschickt werden. Wie man das wieder heilen soll, kann ich mir derzeit gar nicht vorstellen. Deswegen wünsche ich mir ganz besonders schnellen Frieden. Und dann vielleicht, dass wir unsere Gedanken auch mal dahin richten, dass es nicht nur um Frieden in unserer Nachbarschaft geht, sondern dass es überall auf der Welt Menschen gibt, denen es sehr schlimm geht, die in kriegerischen Auseinandersetzungen leben. Und dass wir daran weiterarbeiten, dass es keinen Krieg gibt. Jeder Soldat, der einmal Krieg erlebt hat, weiß, dass wir alles daransetzen müssen, Krieg zu vermeiden.“
Patrick sein Shooting ist das erste im Jahr 2023 und ich freue mich auf so viele wunderbare Menschen hier bei "Gesichter des Lebens" sie zu fotografieren und zu interview.
Patrick, mein herzliches Dankeschön für unsere gemeinsames Shooting!
Alles Liebe und Gute weiterhin für Dich und deine Familie ❤️!
Es schliesst sich für mich ein weiterer Kreis als Mensch und als Fotografin. Beim Fotografieren braucht es Empathie um Menschen zu berühren, zu verbinden, sichtbar zu machen. Mit meinem fotografischen Blick auf die Menschen, Soldaten, Veteranen und ihren Wegbegleitern gehe ich einen weiteren Schritt. Zu wissen das mein / unser Projekt "Gesichter des Lebens" dabei wächst, macht mich stolz, da ich die Menschen liebe und gerne fotografiere.
Soldat und Veteran sein heisst auch: Mensch sein. Sehen-Spüren-Fühlen. "Gesichter des Lebens" versucht dies sichtbar zu machen. Auch hier in unserem neuen BILDBAND.
Ich möchte Danke sagen, an meine Herzensmenschen die mich unterstützen und tragen und mir immer wieder Tipps geben zu meinem Fotoprojekt. Danke an meinem geliebten Lebenspartner und an meinem Sohn. Danke an meine liebste Freundin Edda, die mich immer stärkt und mich unterstützt. Ein dickes Danke an Franzi die sich verantwortlich zeichnet für die Texte.
Es ist schön, wenn Ihr hier mit dabei seit. Danke ❤️.
Fotografiert wird mit Nikon Z7II und dem Nikkor Z 50mm F/1,2S und Nikon Z6II und dem Nikkor Z 85mm f/1.8S.
„Genderhinweis: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf eine geschlechtsneutrale Differenzierung verzichtet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für beide Geschlechter. Die verkürzte Sprachform beinhaltet keine Wertung.“
Hinterlasst mir hier gerne einen Kommentar, ich freue mich darauf. Danke!
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Bernd (Samstag, 25 Februar 2023 14:19)
Was für unglaubliche Fotos und danke für das Interview.
Ich denke viele Mietglieder unseres Verbandes werden positiv von unserem Präsidenten überrascht sein. Sie habe eine ganz besondere Gabe Menschen zu sehen. Danke.
Herzlichst Bernd M.
Silke (Montag, 27 Februar 2023 14:21)
Danke liebe Daniela für dieses einmalige Interview, die Fotos lassen einen Gänsehaut bekommen.
Habe das Interview gehört und es ist soviel Nähe und Menschlichkeit darin enthalten.
Herr Sensburg ganz menschlich.
Was Du tust ist unbezahlbar.
Danke sagt Silke