Obwohl wir alle noch unter dem Eindruck der Invictus Games 23 in Düsseldorf stehen habe ich im Hintergrund die Sommershootings bearbeitet, den es gibt noch so viele andere Menschen, denen ich gerne ein Gesicht geben möchte und die euch von ihren Erfahrungen als Soldat erzählen möchten. Ihre Gesichter und ihre Geschichten sind es wert gesehen, gehört und gelesen zu werden. Wahrnehmung und Anerkennung sind das Salz in der Suppe eines Soldaten, der für uns und unserem Schutz sein Leben aus Überzeugung riskiert. Und daher bin ich heute wieder in Berlin, schaue in sanfte Augen und höre mir seine Geschichte an. Dabei surrt immer wieder leise der Auslöser meiner Nikon, spüre wie sich die anfängliche Anspannung langsam löst und mein Gegenüber sich meiner Kamera und mir öffnet. Mein Gegenüber ist diesmal aber nicht allein, aber wer genau heute mir gegenüber sitzt erzählt er bzw. sie euch selber. „Also ich bin der Ralf Schaff, 52 Jahre alt, wohne in Berlin und bin an PTBS erkrankt und bin seit 2021 in Behandlung deswegen,“ erzählt uns Ralf. Und weiter sagt er: „Die Bundeswehr hat mich aufgefangen, nach dem ich bereits Reservist war und jetzt bin ich als Wiedereinsteller in den Wehrdienst der besonderen Art eingestellt worden!“
Wehrdienstverhältnis der besonderen Art ist im Einsatzweiterverwendungsgesetz geregelt. Davon habt ihr hier oder anderswo bereits gehört. Es schützt und hilft Zeitsoldaten mit Einsatzschädigung und gibt ihnen die Möglichkeit in einem Verhältnis eines Zeitsoldaten die angebotenen Therapien und Hilfen zu nutzen. Viele Soldaten, die sich in diesem Dienstverhältnis befinden, hoffen, anschließend als Berufssoldat übernommen zu werden.
Aber jetzt zurück zu Ralf. Ralf sitzt auf einem Dienstposten bei Kommando Heer in Straußberg und ist dort in der Personalbearbeitung tätig. Wer genau hinhört, wird mit dem Begriff DPäK konfrontiert. Übersetzt heißt es dienstpostenähnliches Konstrukt - ähhhh - was soll uns das bloß sagen. Da für Ralf keinen richtigen Dienstposten zur Verfügung stand, er aber aufgrund seiner Erkrankung heimatnah eingesetzt werden sollte, gibt es diese Krücke aufgrund der Fürsorge gegenüber den Soldaten. Aber auf diese Abkürzung muss man erstmal kommen. Dankeschön an den Autor (Jürgen), denn ich hätte hier voll auf dem Schlauch gestanden.
Und ich hatte ja schon erwähnt, dass Ralf nicht alleine beim Shooting ist, daher eine kurze, zweite Vorstellung. „Ich bin Sylvia, 50 Jahre alt und die Ehefrau von dem schönen Ralf!“ erzählt Sylvia stolz. Ralf und Sylvia haben zwei Kinder und unterm Tisch liegt ihr vierbeiniger Begleiter.
Damit aber nicht genug, neben Ralf und Sylvia sitzt Jazz, 42 Jahre alt und er sagt zur Beziehung zu Ralf: „ich habe Ralf 2020 im Sichtungs- und Kontrollambulanzzelt in Berlin kennen gelernt und seitdem sind wir halt kameradschaftlich unterwegs!“
Jetzt habt ihr sie alle kennen gelernt und ich freue mich über den heutigen bunten Strauß an Menschen, auch wenn ihr wieder Bilder in schwarz-weiß sehen werdet. Ralf ist über unseren Bildband „Gesichter des Lebens“ auf die Idee gekommen, selbst mitzumachen. „Ich habe das Buch gesehen und gekauft. Beim Blättern habe ich Thomas gesehen, meinen alten Kameraden aus der Luftlandesanitätskompanie 250 und mir hat es gefallen.“
Ralf ist während der Corona-Pandemie zurück zur Bundeswehr gekommen. Er wurde vom Kommando Sanität angeschrieben, ob er helfen könnte und er hat sofort ja gesagt, denn einmal Soldat immer Soldat. Ein schwerer Schicksalsschlag, der Tod seiner Schwiegertochter 2021, hat eine Schleuse bei ihm geöffnet. Auf meine Frage, ob er froh ist, dass es aufgebrochen ist, sagt er nur leise: „Ich hätte es nicht länger ausgehalten!“
Zuerst wollte Sylvia nur dabei sein, ihren Ralf begleiten und unterstützen und jetzt sitzt sie doch mittendrin und erzählt, wie sie sich mit der Erkrankung ihres Mannes arrangiert hat, es akzeptieren musste und trotz seiner starken Veränderung das Beste daraus gemacht hat.
Immer wieder begegnet mir und somit euch diese Veränderung in der Familie, im Freundeskreis und im gesamten Umfeld. Bei Einsatzschädigung, insbesondere bei einer PTBS ist nie nur der Erkrankte alleine betroffen. Sylvia hat sich in ihr Schicksal gefügt, es einfach akzeptiert, dass Ralf nicht mehr ihr Ralf von früher war. Heute, so sagt sie, würde sie es nicht mehr so machen. Damals wusste sie halt nicht, wieso sich ihr Mann so verändert hat.
Anderen Frauen rät sie, dass sie sich frühzeitig um externe Hilfe bemühen sollten, um nicht alleine den Kampf gegen die Krankheit und alles was damit zusammenhängt, auszutragen.
„Sie bringt so viel Opfer!“ Dieser Satz von Ralf schwebt lange im Raum nach. Sylvia möchte aber keine Opfer bringen, sie liebt ihren Ralf, wie die Bilder deutlich zeigen, sie möchte nur dass es ihm gut geht.
Liebe Verantwortlichen in der Bundeswehr, vergesst bitte die Partner unserer Einsatzgeschädigten nicht, sie benötigen ebenso Hilfe, wie eure Soldaten selbst. Denn PTBS - erkrankte Soldaten haben selten den Mut, ihre Situation vorzutragen. Ralf selbst würde nie den Inspekteur des Heeres ansprechen, obwohl er dort an der Quelle sitzt. Sollten sie das lesen lieber Herr Mais (unser Shooting im November) vielleicht können sie ja den Schritt auf Ralf Schaff zugehen.
Die Kommunikation im Kameradenkreis ist ebenfalls ein Punkt, der mir nach diesem Interview im Gedächtnis bleibt. Kameraden fragen nicht und die Betroffenen sitzen im Schneckenhaus und sagen nichts. Schade eigentlich!
Meine ❤️Bild von zwei Menschen die sich tief vertrauen.
Für Jazz, der sich jetzt in das Gespräch einbringt, ist und bleibt es schwer zu erfassen, dass sich um Einsatzgeschädigte nicht nachhaltig gekümmert wird.
Die meisten Soldaten werden einfach aus der Bundeswehr entlassen, abgeschoben und niemand kümmert sich um sie.
Jazz findet es einfach unfair und würde sich hier mehr Engagement durch die Bundeswehr und der Politik wünschen.
Ralf erzählt von einem Kameraden, der ihm vor ein paar Tagen vorgestellt wurde. Erkrankt wie er, aber ganz am Anfang dieses langen Weges, den Ralf bereits hinter sich hat. Ralf hat mit ihm gesprochen, ihm seine Hilfe angeboten und seine Karte dazu gegeben. Ralf würde sich freuen, wenn solche Begegnungen öfter ggf. regelmäßig stattfinden könnte, aber er hat das Gefühl, dass es seitens der Bundeswehr nicht gewünscht ist. Wir können nur vermuten, warum das so ist, denn die Betroffenen würden es gerne tun.
Um viel mehr von Ralf, Sylvia und Jazz zu erfahren,
hört dazu gerne auch das Interview zum Shooting hier auf der Website.
Unser Gespräch während des Shootings habe ich aufgenommen und ich veröffentliche es hier. Zuhören ist ein wichtiger Teil unseres Fotoprojektes „Gesichter des Lebens“. Ich schenke den Menschen Zeit und meine volle Aufmerksamkeit .
Ralf hat einen großen Wunsch. „Das ich wieder lebe! Wieder so bin wie vor meiner Erkrankung,“ sagt er.
Ich wollte wissen, wie er sein weiteres Leben angeht, daher fragte ich: „Planst du das…!“ kam von ihm spontan „Woher weißt du das!“ Ralf hat eine Tafel, auf der er die Ziele und die Wege zum Ziel aufschreibt. Er malt, um mit Bildern seine Gefühle auszudrücken und er schreibt, schreibt sein Erlebtes nieder.
Für Sylvia, die es oft vorgelesen bekommt, ist es aber dennoch schwierig, im Anschluss mit Ralf darüber zu reden. Ein nächster Schritt für die Beiden auf ihrem Weg in eine positive Zukunft. Auch mit Jazz, der sein Erlebtes lesen darf, fällt es Ralf schwer darüber zu sprechen. Ralf ist es zuerst einmal nur wichtig, dass sein engstes Umfeld weiß, was ihm passiert ist.
Um Ralf wird mir zum Abschluss des Interviews nicht bange. Mit seiner Sylvia und seinem Kameraden Jazz wird er seinen Weg gehen und das macht mich froh und ich bin glücklich über dieses Shooting und das Kennenlernen dieser drei Menschen. Lieber Ralf, herzlich willkommen am Tisch von „Gesichter des Lebens“.
Es schliesst sich für mich ein weiterer Kreis als Mensch und als Fotografin. Beim Fotografieren braucht es Empathie um Menschen zu berühren, zu verbinden, sichtbar zu machen. Mit meinem fotografischen Blick auf die Menschen, Soldaten, Veteranen und ihren Wegbegleitern gehe ich weitere Schritte. Zu wissen das unser Projekt "Gesichter des Lebens" dabei wächst, macht mich stolz, da ich Menschen liebe und gerne fotografiere.
Soldat und Veteran sein heisst auch: Mensch sein. Sehen-Spüren-Fühlen. "Gesichter des Lebens" versucht dies sichtbar zu machen. Auch hier in unserem neuen BILDBAND.
Ich möchte Danke sagen, an meine Herzensmenschen die mich unterstützen und tragen. Danke an meinem geliebten Lebenspartner und an meinem Sohn. Danke an meine liebste Freundin Edda, die mich immer stärkt und mich unterstützt. Ein dickes Danke an Jürgen der sich verantwortlich zeichnet für den Text. Es ist schön, wenn Ihr hier mit dabei seit. Danke ❤️.
Fotografiert wird mit Nikon Z7II und dem Nikkor Z 50mm F/1,2S und Nikon Z6II und dem Nikkor Z 85mm f/1.8S.
„Genderhinweis: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf eine geschlechtsneutrale Differenzierung verzichtet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für beide Geschlechter. Die verkürzte Sprachform beinhaltet keine Wertung.“
Hinterlasst mir hier gerne einen Kommentar, ich freue mich darauf. Danke!
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Frank Roht (Dienstag, 28 November 2023 17:12)
Danke für diesen bewegenden Fotobericht. Es mahnt und bewegt. Unsere Soldaten und Veteranen kämpfen und kämpften für Deutschland, den Frieden und die Menschen am Einsatzort. Das Frau Schaff mit dabei war, meine Hochachtung da dies immer im Hintergrund steht. Was Einsatzerkrankungen auch bei Angehörigen auslösen. Ich wünsche Herrn Schaff eine gute Gesundheit und das er mit seiner Erkrankung immer einen kleinen Schritt besser durch`s Leben kommt.
Frau Skrzypczak Ihnen gilt meine Hochachtung vor Ihrer Arbeit als Fotografin und Hochachtung vor das Öffentlichmachen aller Menschen hier bei diesem Projekt. Bitte nicht aufhören damit, es ist Menschlichkeit pur was Sie und Herr Görlich tun. Herzlichst Frank Roht.