Zum Veteranenbüro in der Nähe vom Berliner Hauptbahnhof brauche ich euch ja nicht mehr viel zu erzählen. Wir haben bereits von der Eröffnung und unserer Dauerausstellung im Besprechungsraum berichtet. Mittlerweile ist das Veteranenbüro eine feste Größe und Anlaufstelle geworden. Bei einem unserer Besuche kam auch die Idee, dort ein Shooting durchzuführen und gesagt, getan - hier ist es. Auch wenn ich euch seinen Namen bereits in der Überschrift verraten habe, stellt er sich, wie alle anderen vorher auch persönlich vor.
„Mein Name ist Lance Gira, Stabsfeldwebel Lance Gira,“ so beginnt eine selbstbewusste, sichere Stimme von sich zu erzählen. „Ich bin 58 Jahre alt und Soldat aus Überzeugung!“ Wie so oft, kommt bereits in den ersten Sätzen die Überzeugung zu Tage, die ich bei vielen seiner Kameradinnen und Kameraden gesagt bekomme.
Die Uniform bewusst anziehen und somit wird aus Überzeugung letztlich ein Beruf. Lance ist bereits mit 17 Jahren freiwillig als Zeitsoldat zur Bundeswehr gegangen. Im Anschluss unterbrach er sein Soldat sein, arbeitete im Zivilleben als Schauspieler und Sprecher. „Ich war der Bundeswehr aber immer verbunden, denn einmal Soldat – immer Soldat“, erzählt er mir. 10 Jahre nach seiner letzten Wehrübung stieß er über Reservistenwettkämpfe wieder zur Bundeswehr. Die Wehrübungen fingen wieder an und hatten am Ende eine Dauer von bis zu 346 Tagen. Da war ein Jahr fast voll gemacht.
Lance ist mittlerweile in der Redaktion der Bundeswehr tätig und bildet dort u.a. Sprecher und Moderatoren aus. Hoffentlich ist er mit seinem Interview und meinem Text als Experte am Ende zufrieden und hadert nicht mit dem Ergebnis … .
Lance hat auch -teilweise massive- Einsatzerfahrung, ist Träger der „Einsatzmedaille Gefecht“. Er war 4x in Afghanistan, war jeweils einmal im Kosovo und in Mali im Auslandseinsatz. Bereits als aktiver Soldat gehörte es für ihn und den Großteil seiner damaligen Kameraden zum Selbstverständnis, in einen Kriegseinsatz zu gehen. Als aktiver Soldat gehörte er der Luftlande- und Panzergrenadiertruppe an, als Reservist diente er anfangs ebenfalls in Kampfeinheiten, wie der Gebirgsjäger- und Panzergrenadiertruppe. Später wechselte er zu einer Panzerbrigade, von der auch die meisten seiner Einsätze aus koordiniert wurden.
Drei von vier seiner Afghanistan-Einsätze hat er überwiegend „draußen“ verbracht, der Mali-Einsatz war da deutlich entspannter. Er erklärt mir, dass er dort als S2-Offz/Uffz eingesetzt war.
„Jürgen, übersetzt du uns das bitte?“ „Aber gerne doch, also es gibt bei der Bundeswehr die S1 bis S6-Leiste im sogenannten Stab der Einheiten. Der Stab unterstützt den höchsten Vorgesetzten in verschiedenen Fachgebieten bei der Organisation und Führung der Truppe. Etwa wie in der Schule, der Direktor neben Lehrern noch Menschen um sich hat, um eine Schule leiten zu können. Und diese Fachgebiete nennt man S 1, S 2 … bis S 6 und bedeuten im Einzelnen:
S 1 für alles, was das militärische Personal betrifft
S 2 für die militärische Sicherheit
S 3 für die Ausbildung und Organisation
S 4 für Logistik also Material und Instandsetzung
S 5 für die Zusammenarbeit mit zivilen Einrichtungen
S 6 für Informationstechnik und Fernmeldewesen
Diese Aufgabe wird von Offizieren und Unteroffizieren also Offz/Uffz erledigt. Lance war also in Mali für die militärische Sicherheit im Lager zuständig. Ich hoffe, ich habe mich verständlich ausgedrückt!“ „Also ich habe es, glaube ich, einigermaßen verstanden, danke dir für die Erklärung.“
Zurück zu unseren heutigen Gesichter des Lebens, zu Lance. Als S2 war er „nur“ im Feldlager in Gao untergebracht und hat dort seinen Dienst versehen. Während ihn dieser Einsatz wenig geprägt hat, war es in Afghanistan anders und besonders. Das haben mir schon viele Soldaten berichtet. Irgendwie war auch das Verhältnis untereinander -also die Kameradschaft- besonders - von wenigen Ausnahmefällen natürlich abgesehen. „Dieses Feinstoffliche der Kameradschaft im Einsatz ist auch schwer in Worte zu fassen“, sagt Lance zu mir und auch aus diesem Grund hat es ihn viermal dorthin geführt. Seine Einsatz-Vorausbildungen absolvierte er in Wildflecken, Germersheim und im GÜZ. GÜZ steht für Gefechtsübungszentrum des Heeres und ist eine künstliche Ortschaft in Gardelegen bei Magdeburg zur Ausbildung künftiger Einsatzverbände. Das hier Gelernte hat Lance im Einsatz geholfen. „Ich habe funktioniert“, stellt er recht sachlich fest.
Nach der Rückkehr aus seinen Einsätzen stellte er bei sich eine aufsteigende Aggressivität und Verschlossenheit fest. Auch aufgrund des Unverständnisses der Zivilwelt, des Desinteresses gegenüber dem Soldatischen und den Oberflächlichkeiten. Die Erfahrungen der Einsätze haben ihn jedoch gelassener gegenüber der „Problemen“ in der Heimat werden lassen.
Für seine Kinder war er immer ein liebevoller Vater, der trotz seiner Trennungen und Abwesenheiten ein vertrautes Verhältnis zu ihnen hat. Seine mittlerweile erwachsenen Söhne können mit ihm über alles sprechen – was sie auch regelmäßig tun.
Wir haben uns noch intensiver über seine Einsatzerfahrung unterhalten – hört dazu gerne ins Interview rein.
Unser Gespräch während des Shootings habe ich aufgenommen und ich veröffentliche es hier. Zuhören ist ein wichtiger Teil unseres Fotoprojektes „Gesichter des Lebens“, hört Lance einfach gerne zu.
Lance wirkt dankbar, über sein heutiges Tun. Dankbar, dass der Dienstherr ihm diese Aufgabe übertragen hat und dankbar, über die großen und kleinen täglichen Erfolge. Mit seiner ruhigen, sachlichen, tiefen Stimme erklärt er mir die Besonderheiten im Umgang mit seinen „Schülern“. Ich hätte noch viel länger mit Lance sprechen können, da er mit seiner Offenheit und Ruhe ein angenehmer Gesprächspartner war. Zum Abschluss frage ich noch nach einem Wunsch, der ihm besonders wichtig ist. Er nennt ein „Dreigestirn“ mit Gesundheit, Liebe und Freude als sein Wunsch.
„Danke Lance für das Shooting, für deine Zeit und herzlich Willkommen bei unseren „Gesichter des Lebens.“
Es schliesst sich für mich ein weiterer Kreis als Mensch und als Fotografin. Beim Fotografieren braucht es Empathie um Menschen zu berühren, zu verbinden, sichtbar zu machen. Mit meinem fotografischen Blick auf die Menschen, Soldaten, Veteranen und ihren Wegbegleitern gehe ich immer weitere Schritte.
Zu wissen das unser Projekt "Gesichter des Lebens" dabei wächst, macht mich stolz, da ich Menschen liebe und gerne fotografiere. Soldat und Veteran sein heisst auch: Mensch sein. Sehen-Spüren-Fühlen. "Gesichter des Lebens" versucht dies sichtbar zu machen. Auch in unseren BILDBÄNDEN.
Ein dickes Danke an Jürgen der sich verantwortlich zeichnet für den Text.
Ich möchte Danke sagen, an meine Herzensmenschen die mich unterstützen und tragen. Danke an meinem geliebten Lebenspartner und an meinem Sohn. Danke an meine liebste Freundin Edda, die mich immer stärkt und mich unterstützt. Es ist schön, wenn Ihr hier mit dabei seit. Danke ❤️.
Fotografiert wird mit Nikon Z7II und dem Nikkor Z 50mm F/1,2S und Nikon Z6II und dem Nikkor Z 85mm f/1.8S.
„Genderhinweis: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf eine geschlechtsneutrale Differenzierung verzichtet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für beide Geschlechter. Die verkürzte Sprachform beinhaltet keine Wertung.“
Hinterlasst mir hier gerne einen Kommentar, ich freue mich darauf. Danke!
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