Matthias fand unseren vereinbarten Treffpunkt nicht gleich. Er suchte auf dem falschen Parkplatz vergeblich die Fotografin am gelben Kiosk 😉, aber wir haben uns gefunden. Wir starten unser Fotoshooting für unser Projekt „Gesichter des Lebens“ entsprechend mit viel Humor. Nachdem ich den achtundvierzigjährigen Soldaten bei bestem Wetter in den Bonner Rheinauen bereits ausgiebig fotografiert habe, setzen wir uns im herrlichen Sonnenschein, begleitet von munterem Vogelgezwitscher, gleich hier zum Interview zusammen.
„Hallo, ich bin Matthias Ott und seit dreißig Jahren Soldat der Bundeswehr. Ich wohne mit meiner Familie in der Nähe von Bonn. Ich denke man hört es noch - ich bin geboren in Bayern, dem schönen Allgäu. Bayer bin ich mit Herz und Seele! Auch wenn ich seit über elf Jahren am Rhein lebe, vermisse ich mein Allgäu. Ich stieg dienstlich auf vom Mannschafter zum Unteroffizier, Feldwebel, Offizier und jetzt zum Truppenoffizier. Seit über sieben Jahren bin ich nun Kommandant Stabsquartier im Kommando Streitkräftebasis. Mich um junge Frauen und Männer kümmern zu dürfen, erfüllt mich jeden Tag mit Freude!“
Mir ist wichtig das ich meine Fotoshootings zu „Gesichter des Lebens“ in der Öffentlichkeit durchführe, um in Kontakt zu anderen Menschen zu kommen. Genau dies geschieht immer wieder. Fotografie die sichtbar macht und hier mit viel Sonnenschein.
Was bedeutet für dich Kameradschaft?
„Da gibt es ja den Paragrafen 12 des Soldatengesetzes: … ich muss mich auf den Soldaten links und rechts von mir immer verlassen können. Kameradschaft definiert sich nie über den Dienstgrad. Nein, Kameradschaft muss man leben und auch vorleben.“
Wie lebst du Kameradschaft vor? „Indem ich mit offenen Ohren und Augen durch die Kaserne laufe. Meine Bürotüre ist immer geöffnet. Ich bin stets ansprechbar, egal ob dienstlich oder privat. Da gibt es für mich keine Trennung. Hat man private Probleme, hat man diese auch dienstlich und umgekehrt. Ich höre zu und helfe, zumindest versuche ich es.“
Welche Grenzen sollten Menschen deiner Meinung nach nicht überschreiten?
„Wenn mich ein Mensch anlügt oder wenn er sich nicht kameradschaftlich verhält. Da kommuniziere ich dann ganz klar. Da ist meine „rote Linie“ und da gibt es auch keine Toleranz.“
Matthias wollte ursprünglich nicht Soldat werden. Er war schon als Kind im Allgäu immer gerne draußen unterwegs. Er hatte ursprünglich den Wunsch irgendwas mit Natur zu machen. Seine Wunschvorstellung lautete als Schreiner Holz zu bearbeiten und etwas daraus entstehen zu lassen. Dies ist jetzt sein Hobby geworden. Er schreinert und baut in seiner Freizeit sogar Möbelstücke. „Anfang der 90iger Jahre habe ich meinen Wehrdienst absolviert. Ich wollte wissen, wie die da bei der Bundeswehr ticken. Schon nach acht Monaten wusste ich wie es läuft. Mir gefielen die klaren Strukturen, Disziplin, feste Werte und diese gelebte Kameradschaft. Ich war so beeindruckt, dass ich blieb.“
Matthias absolvierte während seiner langjährigen Laufbahn nie einen Auslandseinsatz. Es kam immer irgendetwas dazwischen. „Manchmal fällt es mir schwer mit den Einsatzrückkehrern Gespräche zu führen. Mir fehlen da natürlich die eigenen Erfahrungen. Dies möchte ich noch nachholen. Ja, ich möchte noch in den Auslandseinsatz gehen!“
Um viel mehr von Matthias zu erfahren, hört dazu gerne auch das Interview zum Shooting hier auf der Website.
Ich spüre wie positiv, voller Empathie und geradlinig zielgerichtet Matthias durch sein Leben geht. Dies macht auch unser Gespräch so leicht und zwanglos.
Matthias erklärt mir wie er eine Lage beurteilt: „Du stehst vor einem Problem oder musst eine Entscheidung treffen. Finde heraus, welche Möglichkeiten du hast! Welche Vor- und Nachteile hat deine Entscheidung? Schreibe es auf, finde die Lösung und setze sie ganz geradlinig um! Dies habe ich bei der Bundeswehr gelernt und mache es auch in meinem privaten Leben so. Diese festen Strukturen helfen mir unwahrscheinlich.“
Welche Menschen unterstützen dich bei deiner Arbeit als Kommandant? „Da ist mein Mitarbeiterstab. Wir tauschen uns täglich aus. Einmal in der Woche gibt es eine große Besprechung, in der wir auch Ideen wachsen lassen und diese dann gemeinsam umsetzen.“
01 Gesichter des Lebens ... was fällt Dir als Erstes dabei ein, wenn Du diese Worte hörst?
Menschen ein Gesicht zu geben und sie und ihre Geschichte möglichst vielen anderen Menschen näherbringen, um dadurch Verständnis zu erzeugen.
02 Beschreibe dich mit drei Worten bitte
Direkt, Hilfsbereit und Zuverlässig
03 Was ist für dich in deinem Leben das Wichtigste?
Gesundheit für meine Familie und mich
04 Wie bist du zu dem Shooting gekommen und hast du (zu Beginn des Shootings) Zweifel gehabt?
Ich wurde im Internet auf die Aktion aufmerksam und wurde dann durch Dani auf Grund eines Kommentar's zu ihrem Beitrag zu einem Shooting eingeladen. Ich hatte keinerlei Zweifel und habe mich sehr darauf gefreut.
05 Wie hast du dich während des Shootings gefühlt?
Sehr wohl und es war von Anfang an eine Atmosphäre, die durch Aufrichtigkeit, Respekt und ungewöhnlich direkte Vertrautheit geprägt war. Es war, als würden wir uns schon seit Jahren kennen. Echt verrückt.
06 Wie ging es dir als du deine Fotos zum ersten Mal gesehen hast?
Ich war sehr überrascht und fand die Fotos richtig gut. Du verstehst dein Handwerk bzw. deine Kunst und hast ein Auge für das Motiv, den Hintergrund und den passenden Moment für den Auslöser.
07 Was bedeutet es Dir Veteran zu sein?
Ein Teil einer großen Gemeinschaft zu sein, welche sich über ein gemeinsames Werteverständnis definiert und in der sich alle respektvoll begegnen und gegenseitig unterstützen.
08 Welches wäre für dich die wichtigste Verbesserung in der deutschen Veteranenkultur?
Diese Kultur mehr in das Bewusstsein der Gesellschaft zu rücken und innerhalb der Gesellschaft dadurch zu einem besseren Verständnis und mehr Anerkennung für die Veteranen beizutragen.
09 Wie siehst du dich als Soldat in der deutschen Gesellschaft?
Das ist schwer zu beantworten, da es insbesondere regional sehr starke Unterschiede gibt. Ich bin in meinen 30 Dienstjahren in ganz Deutschland viel unterwegs gewesen. In Bayern – meiner Heimat – ist die Anerkennung der Soldatinnen und Soldaten sehr groß. Da kann man ohne Problem auch in Uniform nach Feierabend in ein Gasthaus gehen und ein Bier trinken. In Berlin würde ich das nicht empfehlen. Ich wurde in Deutschland auch schon oft in der Öffentlichkeit in Uniform beschimpft, bespuckt und als Mörder betitelt. Das tat und tut nach wie vor sehr weh und erfüllt mich mit Wut und Trauer.
10 Was würdest du anderen Veteranen sagen, warum Sie dieses Shooting machen sollen?
Weil wir uns nicht schämen müssen für das was wir tun und was wir getan haben, sondern stolz darauf sein können. Das darf man auch zeigen und durch das Shooting geben wir der jeweiligen persönlichen Geschichte einen öffentlichen und wahrnehmbaren Raum.
Unser Gespräch während des Shootings habe ich aufgenommen und ich veröffentliche es hier. Zuhören ist ein wichtiger Teil meines Fotoprojektes „Gesichter des Lebens“. Ich schenke den Menschen Zeit und meine volle Aufmerksamkeit .
Matthias erzählt mir das seine Family so eine richtige Patchworkfamilie ist. Er ist sich dessen bewusst wieviel er seinen Lieben manchmal abverlangt. Da gibt es die vielen Versetzungen im Laufe der Karriere. Damit verbunden sind für die Familienmitglieder dann unbequeme Veränderungen, Umzüge, neue Schulen, neue Freunde und alles was damit zusammenhängt. Es wird dann häufig rege und intensiv miteinander diskutiert. „Ich habe aber auch Entscheidungen getroffen, die meine Familie einfach hinnehmen musste, manchmal mit mächtigen Verstimmungen. Wenn der Rauch dann verzogen, ist reden wir weiter. Es kann also passieren, dass ich mich entschuldige. Im Dienst kann das auch mal vorkommen. Im Dienst kann das auch mal vorkommen.
Mein Leben wird geprägt von meinen Lebensspruch: Wer Menschen führen will muss Menschen mögen! Der Dienstgrad auf der Schulter sagt nur wieviel Kohle man im Monat verdient, verrät aber nichts über den Menschen dahinter.“
Matthias, was könnte die Bundeswehr verbessern?
„Wir müssen vorleben, was wir fordern. Man muss einhalten, was man den jungen Menschen zusagt, wenn sie Soldat werden! Da fehlt noch einiges. Kopf und Herz eines Soldaten müssen im Einklang sein!“.
Was wünschst du dir in diesem Moment? „Gesundheit!“
Matthias, ich bedanke mich herzlich für unser Shooting und das gute Gespräch in der Bonner Sonne.
Möge dein Wunsch in Erfüllung gehen! Alles Gute dir lieber Matthias und deiner Familie!
Es schliesst sich für mich ein weiterer Kreis als Mensch und als Fotografin. Beim Fotografieren braucht es Empathie um Menschen zu berühren, zu verbinden, sichtbar zu machen. Mit meinem fotografischen Blick auf die Menschen, Soldaten, Veteranen gehe ich einen weiteren Schritt. Zu wissen das mein / unser Projekt "Gesichter des Lebens" dabei wächst, macht mich stolz, da ich die Menschen liebe und gerne fotografiere.
Veteran sein heisst auch: Mensch sein. Sehen-Spüren-Fühlen. "Gesichter des Lebens" versucht dies sichtbar zu machen.
Ich möchte Danke sagen, an meine Herzensmenschen die mich unterstützen und tragen und mir immer wieder Tipps geben zu meinem Fotoprojekt. Danke an meinem geliebten Lebenspartner und an meinem Sohn. Ein dickes Danke nach Kenia an meine liebste Freundin Iris die sich verantwortlich zeichnet für die Texte. Danke an meine liebste Freundin Edda, die mich immer stärkt und mich unterstützt. Danke an Simone und Heike meine Fotografinnen Gang und wunderbare Freundinnen und Frauen.
Es ist schön, wenn Ihr hier mit dabei seit. Danke ❤️.
Fotografiert wird mit Nikon Z7II und dem Nikkor Z 50mm F/1,2S und Nikon Z6II und dem Nikkor Z 85mm f/1.8S.
„Genderhinweis: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf eine geschlechtsneutrale Differenzierung verzichtet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für beide Geschlechter. Die verkürzte Sprachform beinhaltet keine Wertung.“
Hinterlasst mir hier gerne einen Kommentar, ich freue mich darauf. Danke!
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Markus (Sonntag, 24 April 2022 19:13)
Wow was für ein Shooting und Interview, ich bin absolut begeistert. Die Fotos sind der Hammer ... habe lange nicht solche Fotos gesehen, nun höre ich den Kameraden Ott gerne noch zu.
Danke Daniela für das was du tust.
Herzliche Grüsse sendet Ihnen Markus
Heinrich W. (Sonntag, 24 April 2022 22:27)
Sehr geehrter Herr Ott,
ich bin leider schon aus meinen Dienst vor vielen Jahren ausgeschieden aber unter Ihnen hätte ich gerne meinen Dienst noch um ein paar Jährchen verlängert. Welche Ehrlichkeit, Geradlinigkeit und Offenheit ... danke. Daniela bei Ihren Fotos bekommt man Tränen ins Gesicht, soviel Tiefe und gleichzeitige Nähe, ich bin sehr beeindruckt. Danke kann man nicht nur sagen, was Sie hier mit Ihrem Projekt und Ihrer Fotografie für uns Soldaten oder Veteranen umsetzen. Mein Hochachtung.
Herzliche Grüsse sendet Ihnen
Heinrich W.
Ott Matthias (Montag, 25 April 2022 13:34)
#3
Sehr geehrter Herr Heinrich W.
Ihr Kommentar ehrt mich sehr. Haben Sie ganz herzlichen Dank für Ihre Worte.
Ich wünsche Ihnen alles Gute!
Beste Grüße
M. Ott
Daniela (Montag, 25 April 2022 15:13)
Lieber Markus und lieber Heinrich,
danke das Sie hier waren und danke das für Ihren Kommentar. Es ist immer wieder schön, wann mann gemeinsam Menschen erreichen kann und etwas gemeinsam tun kann.
Danke sagt Daniela
Frank Meyer, FjFwdR (Montag, 12 August 2024 11:20)
Den Lebensspruch möchte ich gerne für mich übernehmen…. Danke dafür…