Wir treffen uns bei strahlendem Sonnenschein, blauem Himmel und jenem zauberhaften Herbstlicht mitten im Zentrum von Berlin. Björn Schreiber begrüßt mich :“ Wow Daniela, du hast ja tolles Wetter für unser Shooting bestellt!“ Ich muss lächeln da ich ihm bei der Vorbereitung ein sonniges Fotoshooting versprochen hatte.
Björn hatte mich zuerst per Email angeschrieben und erzählt dass er unbedingt beim Projekt„Gesichter des Lebens“ dabei sein möchte. Unser anschließendes erstes Telefonat zum Kennenlernen verlief offen und sehr freundlich. Also hatten wir kurzfristig und spontan unser Treffen in Berlin verabredet.
Björn erzählt mir dass er im Jahr 2001 seine Bundwehrlaufbahn als Marineoffizier begonnen hat. 2002 entschied er sich für das Studium an der Bundeswehr - Uni in Hamburg. Dieses konnte der Soldat dann 2006 als diplomierter Erziehungswissenschafter erfolgreich abschließen
Drei Jahre später startete sein erster Auslandseinsatz vor der Küste des Libanon. „Ich wollte einfach nicht zulassen dass Terroristen auf dem Seeweg an Waffen gelangen! Dies war der Grund warum ich dort mein Dienst versah.“
Von Januar bis April 2010 wurde Björn eingesetzt als Betreuungsoffizier in Mazar-e Sharif. Dort übernahm er unter belastenden Bedingungen die schwere Aufgabe des „Helden - Spalier“ stehen. Björn Schreiber musste sieben gefallene Kameraden auf ihrem letzten Weg begleiten. Im Juli 2011 kehrte er nochmals zurück nach Afghanistan und beendete diesen erneuten Auslandseinsatz im Januar 2012.
„Es hat sich gut angefühlt den Menschen, Frauen und Kindern eine Perspektive zu bieten. Es wurde Frauen und Mädchen ermöglicht in Schulen gehen zu können. Wir Bundeswehrsoldaten schenkten ihnen das Gefühl von Sicherheit und Frieden. Wir bekamen vor Ort in Gesprächen mit afghanischen Zivilisten häufig ihre Anerkennung und Dankbarkeit ausgedrückt.“ Björn fügt hinzu:“ Es gab in Afghanistan Zeiten in denen Frauen nicht vorgeschrieben wurde dass sie Burkas zu tragen haben. Auch Miniröcke wurden geduldet. Das war noch in den 1960er-Jahren so. Afghanistan war einmal ein reiches, eigentlich fortschrittliches Land. Ich wünsche mir Frieden, Demokratie und Hoffnung für die Menschen in Afghanistan. Kinder sollten lächeln! Mit Gewalt geht es nicht!“
Björn wird leise und schaut in die Sonne ehe er weiter spricht: „Ich war Teil dieser Hoffnung. Menschen sollten jeden Tag Mensch sein dürfen. Es war schön diese Gespräche mit den Menschen vor Ort zu führen und in die lächelnden Augen der Kinder zu schauen.“ Soldat und Veteran sein bedeutet neben vielen anderen Aufgaben eben auch Mensch zu sein!
Während des Shootings spüre ich dass Björn’s Gedanken oft abschweifen. Er schaut nachdenklich in die Sonne und ich frage: „Wo bist du?“ Ich lasse Björn während ich ihn fotografiere frei erzählen. Ich bemerke wie wichtig das Reden ihm ist.
„Meine Hände halten wieder Trommelstöcke und ich bin wieder in Afghanistan. Es ist das Osterwochenende 2010. Dieses schlimme Karfreitagsgefecht endete mit drei toten Kameraden. Meine Blicke schweifen über die Formation der zum letzten Geleit angetretenen Soldaten. Durch meinen Kopf kreist alles um den Gedanken - ich darf keinen Fehler machen! Die drei Panzer FUCHS bewegen sich eingerahmt von Kameraden, die die Ehrenwache stellen. Drei Meter hinter dem letzten Kameraden stehe ich mit einer notdürftig aus einem Schlagzeug zurechtgebauten Trauertrommel
Blick auf die Trommel: Konzentration, nicht daneben schlagen! Nicht mehr trommeln!
Ich habe das Zeitgefühl verloren, das Gefühl für die Strecke und wieder – ich darf keine Fehler machen. Auf der Trompete soll das Lied der „Ein guter Kamerad“ gespielt werden. Ich fühle mich hilflos. Dann geht es weiter.
Immer wieder richtet sich mein Blick auf die Trommel. Der erste Sarg ist im Helikopter. Als der letzte Sarg verschwindet, schlage ich die Trommel mit einem härteren Schlag. Endlich Ruhe! Weiterflug! Die Särge werden aus den Helikoptern in die Regierungsmaschine von Minister Niebel gebracht. Ich muss nicht mehr trommeln.
Ich kann nicht reden, ich weine still. Drei tote Kameraden".
"Arme halten mich und ich rieche den Wald. Nein, ich bin nicht in Afghanistan – ich bin im „Wald der Erinnerung“ mit anderen Kameraden. Eine Umarmung. Meine Lebenspartnerin hält mich fest. Nils, Martin und Robert.
Ostern wird nie mehr das sein, was es vor 2010 war. Für viele Kameraden. Für mich.“
Um viel mehr von Björn zu erfahren, hört dazu gerne mit ins Interview zum Shooting hier auf der Website.
01 Gesichter des Lebens ... was fällt Dir als Erstes dabei ein, wenn Du diese Worte hörst?
Veteraninnen und Veteranen sind Teil der deutschen Gesellschaft – aber leider oft unsichtbar. Daher bin ich dankbar für dieses Projekt!
02 Beschreibe dich mit drei Worten bitte
Metalhead, EinsatzVeteran, Vater
03 Was ist für dich in deinem Leben das Wichtigste?
Mein Sohn Finn
04 Wie bist du zu dem Shooting gekommen und hast du (zu Beginn des Shootings) Zweifel gehabt?
Ich habe durch meinen besten Freund und Kameraden von dem Projekt erfahren und war von vornherein begeistert. Umso dankbarer bin ich, Teil dieses tollen Projektes sein zu dürfen. Zweifel hatte ich zu keiner Zeit.
05 Wie hast du dich während des Shootings gefühlt?
Absolut angenehm: Die einfühlsame Art von Dir hat mich voll eintauchen lassen und mir zu keiner Zeit das Gefühl gegeben, gedrängt zu werden. Die Erfüllung meines Herzenswunsches ist zudem noch eine wunderbare Dreingabe!
06 Wie ging es dir als du deine Fotos zum ersten Mal gesehen hast?
Ich war sprachlos: Ich habe mich selber noch nie so gesehen und wahrgenommen, wie es Dir gelungen ist, mich abzulichten.
07 Was bedeutet es Dir Veteran zu sein?
Viel: Meine Bundeswehrzeit hat mich nachhaltig geprägt und auch verändert. Ich bin stolz darauf, Soldat gewesen zu sein und mich nun aus tiefstem Herzen EinsatzVeteran zu nennen.
08 Welches wäre für dich die wichtigste Verbesserung in der deutschen Veteranenkultur?
Die Schaffung einer Legaldefinition, die Grundlage für eine Verbesserung der Versorgung im Fall von Einsatzfolgen darstellt.
09 Wie siehst du dich als Soldat in der deutschen Gesellschaft?
Ich fühle mich als Teil der Gesellschaft, auch wenn ich als EinsatzVeteran für viele Menschen erstmal „unsichtbar“ und einer von vielen Menschen bin.
10 Was würdest du anderen Veteranen sagen, warum Sie dieses Shooting machen sollen?
Macht mit! Durch dieses Projekt - "Gesichter des Lebens" können wir sichtbarer werden und in der Gesellschaft stattfinden als das, was wir sind: Menschen, die ihrem Eid folgend, bereit waren / sind, sich in den Dienst der Gesellschaft zu stellen und dabei im Ernstfall auch das Äußerste zu geben!
Unser Gespräch während des Shootings habe ich aufgenommen und ich veröffentliche es hier. Zuhören ist ein wichtiger Teil meines Fotoprojektes „Gesichter des Lebens“. Ich schenke den Menschen Zeit und meine volle Aufmerksamkeit .
Im Verlauf des Shootings laufen wir auf den Reichstag zu. Björn vertraut mir an: „Boah Daniela wäre das toll wenn du Fotos von mir direkt am Reichstag machen könntest. Dort wo unser Parlament entscheidet, ob wir in Einsätze geschickt werden.
Wir haben eine Parlamentsarmee.“
Mmhhh, wer mich kennt weiß dass ich natürlich gerne Herzenswünsche erfülle. Also mache ich einfach mal los. Gespräche mit zwei Polizisten welche am Reichstag für den Zugang zuständig sind, dazu ein freundliches Lächeln und ich erspare uns die schriftliche Antragstellung, die mittlerweile bis zu drei Wochen dauern kann.
Ich winke Björn heran. Sein Herzenswunsch wird erfüllt. Für ihn die gewünschten Fotos direkt am Reichstag zu machen erfüllt mich mit Freude. Er schaut mich noch etwas unglaubwürdig an, doch als er wahrhaftig auf der Treppe des Reichstages sitzt, sieht man ihm das Glück an. Manchmal kann ein Shooting ziemlich glücklich machen!
Wie schön dass ich mit „Gesichter des Lebens“ Freude schenken durfte.
Mir ist wichtig meine Fotoshootings zu „Gesichter des Lebens“ in der Öffentlichkeit durchzuführen, um in Kontakt zu anderen Menschen zu kommen. Genau dies geschieht. Fotografie die sichtbar macht.
Björn Schreiber und sein Freund und Kamerad Marcel Bohnert gaben im Jahr 2016 ein Buch heraus mit dem Titel „Die unsichtbaren Veteranen - Kriegsheimkehrer in der deutschen Gesellschaft“. Darin finden sich Berichte unterschiedlicher Autoren, von Soldaten, ihren Angehörigen, von Akademikern und Journalisten. Gleichzeitig wirbt es für mehr Verständnis und Aufmerksamkeit für Veteranen.
Gemeinsam sitze ich später mit Björn am Ufer des Regierungsviertels von Berlin und lausche seinen Gedanken über seine Vorstellungen ob und wie unsere Gesellschaft mehr tun kann für die Veteranen. Er hat Wünsche an die Politik und überlegt was er sich persönlich für das nächste Jahr wünscht. Dankeschön für deine Offenheit!
Über ihre Einsatzerlebnisse sprechen Soldaten allgemein ungern. Nicht mit Zivilisten aber oft auch nicht mit engsten Angehörigen. Einerseits wollen sie damit die Liebsten schonen, andererseits gehen sie davon aus, dass höchstens ein Kamerad ihre Gedanken verstehen und nachvollziehen kann. Angehörige fühlen sich dann oftmals von einem wichtigen Lebensbereich ausgeschlossen.
Mit diesem Wissen bin ich dankbar und glücklich dieses offene vertraute Shooting und Gespräch führen zu dürfen.
Auch mit Björn porträtiere ich einen starken Menschen der vielen anderen Soldaten und Veteranen Mut macht und Hilfe schenkt. Björn danke für diese Momente, unser Kennenlernen, unser gemeinsames Lachen und das Du Teil von "Gesichter des Lebens" bist. Alles Gute lieber Björn Schreiber!
Es schliesst sich für mich ein weiterer Kreis als Mensch und als Fotografin. Beim Fotografieren braucht es Empathie um Menschen zu berühren, zu verbinden, sichtbar zu machen. Mit meinem fotografischen Blick auf die Menschen, Veteranen gehe ich einen weiteren Schritt. Zu wissen das mein neues Projekt "Gesichter des Lebens" dabei wächst, macht mich stolz, da ich die Menschen liebe und gerne fotografiere.
Veteran sein heisst auch: Mensch sein. Sehen-Spüren-Fühlen. "Gesichter des Lebens" versucht dies sichtbar zu machen.
Ich möchte noch Danke sagen, an meine Herzensmenschen die mich unterstützen und tragen und mir immer wieder Tipps geben zu meinem Fotoprojekt. Danke an meinem geliebten Lebenspartner und an meinem Sohn der mich auf die Veteranen aufmerksam gemacht hat. Ein dickes Danke nach Kenia an meine liebste Freundin Iris die mich textlich unterstützt. Danke an Simone und Heike meine Fotografinnen Gang und wunderbare Freunde und Frauen.
Lasst uns weiterhin bitte die Gelegenheiten nutzen, ein Stückchen "besser" zu werden, Prioritäten anders zu setzen, unseren Mitmenschen mit Rücksicht und Liebe zu begegnen und bestenfalls die eigenen Bedürfnisse ein klein wenig zurückzustecken ❤️. Es ist schön, wenn Ihr hier mit dabei seit. Danke.
Fotografiert wird mit Nikon Z7II und dem Nikkor Z 50mm F/1,2S und Nikon Z6II und dem Nikkor Z 85mm f/1.8S.
„Genderhinweis: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf eine geschlechtsneutrale Differenzierung verzichtet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für beide Geschlechter. Die verkürzte Sprachform beinhaltet keine Wertung.“
Hinterlasst mir hier gerne einen Kommentar, ich freue mich darauf. Danke!
Johannes (Donnerstag, 15 Dezember 2022 13:37)
Björn's Worte sind gut und wichtig.
Viele von uns sehen nicht mehr den Sinn für ihren Einsatz, für das Erlebte und die Opfer die damit erbracht wurden.
Genau diese Worte sind aber entscheidend.
Wir haben Menschen einer ganzen Generation Hoffnung gegeben.
Das Ergebnis mag ernüchternd sein aber allein der Versuch, der Wille etwas zu verbessern, ist entscheidend und sinnbringend.
Michaela (Samstag, 23 Oktober 2021)
Liebe Daniela und lieber Björn,
was für eine wertvolle Arbeit von Ihnen als Fotografin und Ihnen als Mensch lieber Björn. Ich habe mir eben als Mutter eines Soldaten diesen Artikel angeschaut und Sie gehört. Danke dafür.
Ich wünschen Ihnen Björn alles Liebe auch für Ihrer Familie. Daniela an Sie ein Dankeschön für Ihr Projekt und dies anrührigen Fotos. Danke saht Michaela
Conrad (Samstag, 23 Oktober 2021 07:28)
Was für ein Portrait, was für Fotos, was für Texte und was für ein Interview.
Ich kenne Björn nicht persönlich aber ich war mit ihm zu gleichen Zeit in Afghanistan und er spricht mir so aus der Seele. Ich bin noch Soldat und habe leider nicht (noch nicht) den Mut bei diesem tollen wichtigen Projekt mit zu machen. Björn danke. Daniela Danke für diese aussergewöhnlichen tiefgründigen Fotos und das du das Projekt ins Leben gerufen hast.
Bleibt gesund Conrad