Jahrzehntelang waren Frauen in der Bundeswehr nur im Sanitätsdienst eingesetzt als Ärztinnen, Zahnärztinnen, Tierärztinnen, Apothekerinnen. Seit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes von Januar 2001 können Frauen in alle Laufbahnen einsteigen. Mittlerweile versehen zirka 23.500 weibliche Soldaten in der Bundeswehr ihren Dienst.
Der Deutscher BundeswehrVerband (DBwV) richtete Ende September eine Tagung für Soldatinnen aus, hier treffe ich Insa Eckert zu einem weiteren Fotoshooting für mein Fotoprojekt „Gesichter des Lebens“. Insa ist Frau - Mama - Soldat - Veteran.
Insa war 2003 über 6 Monate im Auslandseinsatz in Afghanistan direkt in Kabul tätig. Sie war schon als Kind mit der Bundeswehr sehr verbunden, geprägt durch ihren Vater verspürte sie bereits frühzeitig welchen Weg sie beruflich gehen wollte. Für sie stand fest, dass sie als Rettungsassistentin in der Bundeswehr tätig werden möchte "Ich wusste was Bundeswehr bedeutet. Eine Tätigkeit als Arzthelferin in einer Arztpraxis wäre mir einfach irgendwie zu gerade gewesen. Gleichzeitig wollte ich mich stets weiterbilden um im Leben immer weiter zu lernen. Dazu gehörte auch in den Auslandseinsatz zu gehen um direkt zu helfen. Ich wollte nah an den Menschen sein".
Ich frage Insa: "Wie wollen die Frauen in der Bundeswehr eigentlich angesprochen werden?" Sie schaut mich kurz an und meint "Ich halte es so, dass ich bei der männlichen Bezeichnung bleibe. Für mich sind das Eigennamen, historisch gewachsene Begriffe. Zum Beispiel: Hauptmann - soll dies dann „Hauptfrau“ heißen?". Ich denke mir so "Hauptfrau? Nebenfrau?" Sie bittet mich bei der Bezeichnung Soldat und Veteran zu bleiben.
Während Ihres Auslandseinsatz trug Insa ausschliessliche Verantwortung für Ihr Leben. Inzwischen ist Insa dreifache Mama.
"Jetzt bin ich 39 Jahre alt und Mutter. Als Mama wird es schwieriger denn ich bin nicht mehr bereit für meinen Beruf alles zu opfern."
Auf einmal schaut sie mich leise an und ich fühle dass sie etwas Wichtiges sagen möchte. Ich gebe ihr Zeit und lege meine Kameras beiseite. Sie spricht: "Ja ich bin an PTBS - einer posttraumatischen Belastungsstörung erkrankt. Und ich möchte mich nicht mehr dafür schämen müssen".
Insa's Beruf als Soldat hat auch bei Ihr Spuren hinterlassen. "Es ist das System Bundeswehr auf das wir als Soldaten vertrauen und was uns auch immer gewissen Halt gibt. Bis zu dem Punkt, wo Du eben nicht mehr funktionierst. Solange wir gesund funktionieren ist das auch so. Mit einer PTBS fühlt man sich jedoch als Mensch nicht mehr wahrgenommen."
"Ich bin in den Auslandseinsatz voller Tatendrang gegangen, ich war eine positive und immer wissbegierige Person. Ich bin heute immer noch neugierig aber zurückhaltender und zurückgezogener. Ich habe meine positive Spontanität verloren. Diese 6 1/2 Monate habe ich in einer anderen Welt gelebt, ich versuchte mich erst wieder in Deutschland einzufinden. Irgendwie suche ich aber immer noch, dass Wiederfinden des alltäglichen Ablaufes in unserem europäischen Leben fällt mir sehr schwer. Ich suche immer noch!"
Insa spricht mir gegenüber das erste Mal öffentlich über ihre Erkrankung. Wieviel Mut muss man als Mensch aufbringen dies endlich auszusprechen. Sich nicht mehr verstecken zu wollen?
Insa ist eine verletzte Seele mit soviel Liebe und gleichzeitig Stärke. Sie ist Mama, Frau, Mensch, Soldat, Veteran.
Insa Eckert ist heute an erster Stelle Mama und dann Soldat. Dies mit Ihrem Beruf zu vereinbaren fällt manchmal ziemlich schwer.
Sie erzählt mir im Interview wie es aber auch besser sein könnte. Hört dazu gerne mit ins Interview zum Shooting hier auf der Website.
01 Gesichter des Lebens ... was fällt Dir als Erstes dabei ein, wenn Du diese Worte hörst?
Die Individualität jedes Einzelnen.
02 Beschreibe dich mit drei Worten bitte
Freundlich, fleißig und neugierig.
03 Was ist für dich in deinem Leben das Wichtigste?
Meine Familie; insbesondere meine drei wunderbaren Kinder und mein Lebensgefährte der mich einfach so liebt wie ich bin.
04 Wie bist du zu dem Shooting gekommen und hast du (zu Beginn des Shootings) Zweifel gehabt?
Ich wurde vom Deutschen Bundeswehrverband gefragt, ob ich teilnehmen möchte. Ich war mir Anfangs nicht sicher, ob ich mit meiner Geschichte in die Öffentlichkeit möchte und hatte Bedenken, dass vielleicht etwas falsch dargestellt wird. Nach einem Telefonat mit Daniela war das Eis gebrochen und ich habe zugesagt.
05 Wie hast du dich während des Shootings gefühlt?
Ich habe mich nach und nach wohler und freier gefühlt. Es war eine ruhige und angenehme Atmosphäre.
06 Wie ging es dir als du deine Fotos zum ersten Mal gesehen hast?
Ich war ein bisschen stolz und freue mich sehr, jetzt eine so tolle Erinnerung in Form der Fotos zu haben.
07 Was bedeutet es Dir Veteran zu sein?
Vielen Menschen geholfen zu haben.
08 Welches wäre für dich die wichtigste Verbesserung in der deutschen Veteranenkultur?
Das uns die deutsche Bevölkerung ein bisschen mehr Anerkennung zu Teil werden lässt und uns mit Respekt behandelt.
So wie es in anderen Ländern bereits lange üblich ist.
09 Wie siehst du dich als Soldat in der deutschen Gesellschaft?
Leider nicht anerkannt; eher ausgegrenzt und teilweise belächelt. Ich denke, dass dies an mangelnden Informationen liegt.
10 Was würdest du anderen Veteranen sagen, warum Sie dieses Shooting machen sollen?
Es ist eine schöne Erfahrung. Man entdeckt durch die Fotos verloren geglaubte Persönlichkeiten an sich.
Und um der Bevölkerung zu zeigen, dass wir nicht nur Soldaten sind. Jeder von uns ist ein Individuum. Wir sind neben unserem Dienst Mamas, Kinder, Frauen, Männer, Enkel, Omas und Opas, Freunde …
Wir sind wie alle Anderen – nur mit einem besonderen Beruf.
Wir wollen dienen und helfen und dieses Projekt wird das Ansehen von uns Soldaten vielleicht ein kleines Stück verändern.
Das wäre ein Stück in die richtige Richtung.
Unser Gespräch während des Shootings habe ich aufgenommen und ich veröffentliche es hier. Zuhören ist ein wichtiger Teil meines Fotoprojektes „Gesichter des Lebens“. Ich schenke den Menschen Zeit und meine volle Aufmerksamkeit .
Mir ist wichtig meine Fotoshootings zu „Gesichter des Lebens“ diese in der Öffentlichkeit durchzuführen, um in Kontakt zu anderen Menschen zu kommen. Genau dies geschieht. Ein Mann kommt auf Insa zu und fragt: "Was ist dies für eine Uniform; so eine ähnliche hatte meine Oma?" Insa lächelt und ich spüre ihre Freude.
Als ich Insa frage was sie glücklich macht, antwortet sie mit Tränen in den Augen. "Meine Kinder und die Liebe meines Lebenspartners. Und weißt Du was Daniela: ich hatte soviel Angst vor dem Shooting und jetzt fühle ich mich gut und freue mich sehr auf die Fotos“.
Ich bin Insa sehr sehr dankbar für Ihre Offenheit, Mut und die wunderbaren Fotos und unser Kennenlernen. Einlassen, vertrauen und sich öffnen, öffentlich über ihre Einsatzschädigung zu sprechen – wie mutig! Danke Insa dass wir uns bei "Gesichter des Lebens" getroffen haben!
Viele Soldaten versuchen ihre Probleme nach einem Einsatz alleine ohne die Hilfe anderer Menschen zu lösen. Sie reden nicht gerne darüber, was ihnen passiert ist und wie sie sich fühlen. Mit ihrem Schweigen wollen sie andere nicht belasten oder sich selbst vor belastenden Erinnerungen schützen. Sie halten es auch in einer solch schwierigen Situation nicht für völlig normal, Hilfe zu benötigen. Sie glauben, wenn sie Hilfe benötigen, sind sie ein schlechter Soldat.
Beim Schreiben dieses Artikels habe ich Tränen in den Augen. Insa hat während des Shooting's das gute Gefühl das Sie öffentlich dazu stehen kann, an einer seelischen Einsatzschädigung erkrankt zu sein. Liebe Insa danke für dieses tiefe Vertrauen! Mehr muss für mich als Fotografin und Frau nicht.
Es schliesst sich für mich ein weiterer Kreis als Mensch und als Fotografin. Beim Fotografieren braucht es Empathie um Menschen zu berühren, zu verbinden, sichtbar zu machen. Mit meinem fotografischen Blick auf die Menschen, Veteranen gehe ich einen weiteren Schritt. Zu wissen das mein neues Projekt "Gesichter des Lebens" dabei wächst, macht mich stolz, da ich die Menschen liebe und gerne fotografiere.
Veteran sein heisst auch: Mensch sein. Sehen-Spüren-Fühlen. "Gesichter des Lebens" versucht dies sichtbar zu machen.
Ich möchte noch Danke sagen, an meine Herzensmenschen die mich unterstützen und tragen und mir immer wieder Tipps geben zu meinem Fotoprojekt. Danke an den Mann in meinem Leben den ich liebe und an meinem Sohn der mich auf die Veteranen aufmerksam gemacht hat. Ein dickes Danke nach Kenia an meine liebste Freundin Iris die mich textlich unterstützt. Danke an Simone und Heike meine Fotografinnen Gang und wunderbare Freunde und Frauen.
Lasst uns weiterhin bitte die Gelegenheiten nutzen, ein Stückchen "besser" zu werden, Prioritäten anders zu setzen, unseren Mitmenschen mit Rücksicht und Liebe zu begegnen und bestenfalls die eigenen Bedürfnisse ein klein wenig zurückzustecken ❤️. Es ist schön, wenn Ihr hier mit dabei seit. Danke.
Fotografiert wurde mit meiner neuen Nikon Z7II und dem Nikkor Z 50mm F/1,2S und Nikon Z6II und dem Nikkor Z 85mm f/1.8S.
„Genderhinweis: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf eine geschlechtsneutrale Differenzierung verzichtet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für beide Geschlechter. Die verkürzte Sprachform beinhaltet keine Wertung.“
Hinterlasst mir hier gerne einen Kommentar, ich freue mich darauf. Danke!
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Norbert (Montag, 11 Oktober 2021 14:41)
Daniela und Insa vielen herzlichen Dank für diese Tun. Daniela für deine wunderbare fotografische Arbeit und die Kraft und Energie dieses Projekt umzusetzen. Insa an Dich als Mensch, meine Hochachtung über deine Erkrankung öffentlich zu sprechen. Du gibst auch mir sehr viel Mut.
Herzlichst Norbert aus Bremen
Michaela (Montag, 11 Oktober 2021 15:43)
Liebe Daniela und liebe Insa,
was für eine wertvolle Arbeit von Ihnen als Fotografin und Ihnen als Mensch liebe Insa. Ich habe mir eben als Mutter eines Soldaten diesen Artikel angeschaut und Sie gehört. Was für ein Mut von Ihnen auf Ihre Erkrankung hinzuweisen und sie dürfen ganz stolz auf sich sein.
Ich wünschen Ihnen Insa alles Liebe auch für Ihre Familie. Daniela an Sie ein Dankeschön für Ihr Projekt und dies anrührigen Fotos. Danke saht Michaela Kämpf
Frank Schulze (Montag, 11 Oktober 2021 16:12)
Liebe Insa Sie können stolz sein, als Soldat diesen Mut zu haben und öffentlich über Ihre Erkrankung zu sprechen. Ich wünsche Ihnen nur das Beste und ich hoffe das viele Sie hier sehen und hören werden. Frau Skrzypczak an Sie geht ein Dank raus, den ich garnicht richtig verpacken kann, Sie zeigen uns als Menschen und dies ist so wertvoll. Ihre Fotos sind voller Einfühlsamkeit, die mich stille werden lassen. Ich wünschen Ihnen und Ihrem Projekt alles Gute.
Sonnige Grüsse Frank Schulze
Daniela Skrzypczak (Dienstag, 12 Oktober 2021 10:09)
Lieber Norbert, liebe Michaela und lieber Herr Schulz,
ich danke ihnen von Herzen für Ihre Kommentare und ich bin sehr sehr glücklich das ich mit meiner Arbeit einen kleinen Teil für die Sichtbarkeit der Menschen, für mich auch Menschlichkeit mit tun kann. Und genau dieses gemeinsame macht uns als Mensch aus.
Ich wünsche Ihnen alles alles Gute.
Daniela
Günther Müller (Dienstag, 12 Oktober 2021 10:34)
Danke für diesen Artikel, was viel mehr ist. Die Fotos haben in mir soviel bewirkt, dann Frau Eckert zu zuhören und dann zu lesen. Danke für Ihr Projekt Frau Skrzypczak und danke Frau Eckert für Ihren Mut und Stärke öffentlich uns an ihrem Leben und Ihrer Erkrankung teilhaben zu lassen.
Grüsse aus Dortmund sendet Ihnen Herr Müller