Die einundfünfzigjährige Soldatin Dana Theers lebt in einem kleinen Dorf auf dem Lande in der Nähe von Hameln. Im telefonischen Vorgespräch bittet Dana mich, sie für unser Fotoshooting von "Gesichter des Lebens“ in ihrem Zuhause zu treffen. Sie möchte gerne im vertrauten Wald fotografiert werden.
So mache ich mich auf den Weg nach Hameln. Dana ist Veteranin mit einer sechzigprozentigen Wehrdienstbeschädigung. Dana wurde krank durch Ihre Auslandseinsätze. Im Bemühen ihre seelischen Traumata zu lindern streift sie gerne jeden Tag durch den Wald. Hier kommt sie zur Ruhe, findet ihren Seelenfrieden und schöpft neue Kraft.
Was gibt dir dieses Laufen im Wald genau?
„Es ist meine Zuflucht. Meine Beruhigung. Die Bewegung in der Stille des Waldes hat Einfluss auf meine Psyche, sodass ich endlich mal zur Ruhe komme. Anders komme ich nicht zur Ruhe. Ich war schon immer gerne unterwegs in der Natur. Die Kraft des Waldes und diese Bewegung benötige ich einfach!“
Was bedeutet dir der Wald?
„Der Wald umhüllt mich wie eine schützende Decke. Ich spüre, fühle und rieche ihn. Es ist diese Verbundenheit mit der Natur. Für mich ist der Wald ein Fluchtpunkt. Wenn ich im Wald bin, kann ich einige Symptome ablegen. Ich muss nicht so auf sie achten.“
Beeinträchtigt dich deine seelische Erkrankung permanent?
„Ja! Mal ist es leichter und mal wieder schwerer. Da ist diese ständige Unruhe! Du richtest dich ein; du kontrollierst ständig; du vermeidest gewisse Situationen. Ich kann das mittlerweile ganz gut. Aber es verändert das ganze Leben.“
Tauschst du dich mit anderen Betroffenen aus?
„In ganz großen Abständen nur. Weil man sich auch verliert. Wer seelisch erkrankt, hat mit sich selber zu tun. Das kann manchmal auch gegenseitig triggern.“
Wie reagierst du in solch schwierigen Situationen?
„Ich bin dann wortlos geflüchtet. Das Weglaufen ist irgendwie schon ein Automatismus geworden und stößt manchmal auf komische Reaktionen. Keiner versteht das. Die Leute denken ich hätte etwas gegen sie, was aber garnicht so ist. Meistens wird auch nicht weiter gefragt, warum ich mich so verhalte. Man geht einfach. Das muss sich ändern. Unsere Gesellschaft muss mehr eingebunden werden, damit solche Situationen nicht mehr entstehen. In erster Linie sollten traumatisierte Menschen ernstgenommen werden und man sollte sprechen!“
Wenn Dana spricht, spricht ihr ganzer Körper.
Dana hat im Alter von dreiundzwanzig Jahren den Dienst bei der Bundeswehr angetreten. Nach zwölf Jahren musste sie diese aufgrund ihrer Wehrdienstbeschädigung wieder verlassen. „Ich wollte schon immer Soldat werden. Als Kind bin ich mit den Jungs durch den Wald gezogen und wir haben Cowboy und Indianer gespielt.
Meine Laufbahn als Berufssoldat war bis zur Pension geplant. Nichts anderes. Die Wehrdienstbeschädigung stand nicht auf meinem Plan. Nun ist sie da und ich muss damit leben.“
Würdest du dich noch gerne in die Bundeswehr einbringen?
„Ja, denn ich bin ja noch zu vierzig Prozent gesund! Leider hat die Bundeswehr keine entsprechenden Dienstposten, wo wir noch gebraucht werden. Das macht mich traurig. Ich fühle mich wertlos, hoffnungslos und im Stich gelassen! Da gibt es keine Fürsorge vonseiten der Bundeswehr. Vor allem nicht für die Kameraden, die seelisch oder körperlich geschädigt den Dienst verlassen müssen.
Ich möchte so gerne, dass es besser wird. Mir fehlen seit Jahren die Ansätze für Betreuung von Geschädigten, die ihren Dienst nicht mehr ausführen können. Es fehlen Ansätze und das Umsetzen! Mein Leben kostet mich jeden Tag viel Kraft. Ich ziehe mich immer weiter zurück. Ich komme mir manchmal vor wie ein Eremit. Ich bin müde. Müde vom Leben.“
Danas Worte machen mich sehr nachdenklich.
Ich frage ob es ihr neuen Mut geben würde, wenn ein solches Konzept endlich angepackt würde?
„Ja! Das würde ich auch wirklich gerne unterstützen, damit auch wir Geschädigten uns einbringen könnten.
Das Gefühl gebraucht zu werden würde vielen von uns einen positiven Schub geben.“
Um viel mehr von Dana Theers zu erfahren,
hört dazu gerne auch das Interview zum Shooting hier auf der Website.
Dana lächelt mich zaghaft an. Das Shooting und unser Gespräch schenken ihr offensichtlich ein wenig neue Energie - Energie für den heutigen Tag und hoffentlich für die kommenden Zeiten. Schon dies allein ist ein guter Grund, all die duften Menschen von "Gesichter des Lebens“ an den besagten "großen Tisch" zusammen zu holen. Ich bin sehr gerührt!
Unser Gespräch während des Shootings habe ich aufgenommen und ich veröffentliche es hier. Zuhören ist ein wichtiger Teil meines Fotoprojektes „Gesichter des Lebens“. Ich schenke den Menschen Zeit und meine volle Aufmerksamkeit .
Unser Shooting & Interview in ihrem geliebten Wald hat Dana viel Kraft gekostet und gleichzeitig Zuversicht gegeben zu haben. Wir beenden unser Interview und gehen noch gemeinsam eine Runde im Dorf spazieren. Dana lächelt erneut.
Danke Dana Theers! Alles Liebe und Gute!
Ich wünsche Dana ganz viel Liebe und Zuversicht!
Alles Gute und vielen Dank, Dana!
Es schliesst sich für mich ein weiterer Kreis als Mensch und als Fotografin. Beim Fotografieren braucht es Empathie um Menschen zu berühren, zu verbinden, sichtbar zu machen. Mit meinem fotografischen Blick auf die Menschen, Soldaten, Veteranen gehe ich einen weiteren Schritt. Zu wissen das mein / unser Projekt "Gesichter des Lebens" dabei wächst, macht mich stolz, da ich die Menschen liebe und gerne fotografiere.
Soldat und Veteran sein heisst auch: Mensch sein. Sehen-Spüren-Fühlen. "Gesichter des Lebens" versucht dies sichtbar zu machen.
Ich möchte Danke sagen, an meine Herzensmenschen die mich unterstützen und tragen und mir immer wieder Tipps geben zu meinem Fotoprojekt. Danke an meinem geliebten Lebenspartner und an meinem Sohn. Ein dickes Danke nach Kenia an meine liebste Freundin Iris die sich verantwortlich zeichnet für die Texte. Danke an meine liebste Freundin Edda, die mich immer stärkt und mich unterstützt. Danke an Simone und Heike meine Fotografinnen Gang und wunderbare Freundinnen und Frauen.
Es ist schön, wenn Ihr hier mit dabei seit. Danke ❤️.
Fotografiert wird mit Nikon Z7II und dem Nikkor Z 50mm F/1,2S und Nikon Z6II und dem Nikkor Z 85mm f/1.8S.
„Genderhinweis: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf eine geschlechtsneutrale Differenzierung verzichtet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für beide Geschlechter. Die verkürzte Sprachform beinhaltet keine Wertung.“
Hinterlasst mir hier gerne einen Kommentar, ich freue mich darauf. Danke!
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Bernd Friedlein (Mittwoch, 20 Juli 2022 21:26)
Bernd Friedlein (Mittwoch, 20 Juli 2022)
Moin Frau Skrzypczak, meinen tiefsten Respekt für Ihre herzliche, emphatische und erst recht professionelle Kompetenz, welche Sie gegenüber Dana eingebracht haben! Unabhängig von diesem genialen Projekt freue ich mich sehr für dieses heilsame Erlebnis, was sie durch Sie erleben durfte. Beste Grüße, Bernd Friedlein
Petra Lippert (Donnerstag, 21 Juli 2022 10:01)
Liebe Dana, ich bin so stolz auf Dich. Wir haben uns vor 10 Jahren kennengelernt und ich habe Dich nicht vergessen. Ich frage immer wieder nach, wie es Dir geht. Wann immer Du möchtest, melde Dich. Bernd oder der BDV haben meine Kontaktdaten. Liebe Grüße Petra
Daniela Skrzypczak (Donnerstag, 21 Juli 2022 11:23)
Liebe Herr Friedlein und liebe Frau Lippert,
danke für Ihr tolles Feedback und das wichtigste für mich als Fotografin ist das ich den Menschen ein Lächeln, bisschen Mut und dadurch Anerkennung schenken kann. Mehr muss nicht ... danke ☺️.
Hans-Jürgen Domani (Donnerstag, 21 Juli 2022 14:28)
Ein sehr schönes Projekt, das den Veteranen und Veteraninnen Gesicht und Stimme gibt.
Bitte fortsetzen!
Stephanie Kutscher (Montag, 15 August 2022 20:19)
Liebe Dana ,ich verstehe Dich jetzt besser auch wenn mich diese Situation schon sehr belastet ich würde Dich auch gerne wieder in den Arm nehmen und die Zeit zurück drehen .Einfach nur reden und lachen ich hoffe es kommt der Tag wo wir uns wiedersehen .Wir vermissen Dich SEHR .Deine Schwester
Daniela Skrzypczak (Dienstag, 16 August 2022 11:52)
Sehr geehrte Frau Kutscher,
es berührt mich sehr das Sie Dana's Shooting hier bei Gesichter des Lebens geschaut, gelesen und gehört haben. Ich als Fotografin bin sehr dankbar Dana kennengelernt zu haben und wünsche Ihnen Beiden, dass Sie gemeinsam mit viel Liebe einen eventuellen neuen Weg als Schwestern finden.
Alles Liebe Daniela